Emma war gerade auf dem Weg nach Seattle. Sie kam aus Australien, wo sie sich eine Auszeit gegönnt hatte. Sie war die letzten Jahre über auf der Suche nach ihrer Familie gewesen. Hatte mit Leuten geredet, von denen sie dachte, dass sie etwas wissen könnten und nach der ein oder anderen Enttäuschung hatte sie den ein oder anderen Menschen getötet. Sie hatte niemanden töten wollen, wirklich nicht. Und dennoch passierte es immer wieder. Egal wie viele Vampirromane in die Läden kamen, in denen stand, dass es eine Alternative zu menschlichem Blut gab, es funktionierte nie. Es half kein Reh und nichts dergleichen. Normalerweise stahl sie Blutkonserven aus Leichenschauhäusern. Aber hin und wieder verlor sie die Kontrolle und ignorierte, dass Mord eine Straftat war. Hätte sie je jemals jemand gefunden, säße sie wahrscheinlich ihr Leben lang im Gefängnis. Das war mit einer der Gründe, warum sie immer wieder den Ort änderte. Der andere Grund war, dass ihre Familie sich über den ganzen Erdball verstreut hatte. In ihrem nicht gerade kurzen Leben, hatte sie bereits ziemlich viele Orte gesehen. Viele Denkmäler und historische Orte. Das einzige, was sie noch nicht gesehen hatte, aber immer mal sehen wollte, waren die Pyramiden von Gizeh. Das hatte sie schon immer fasziniert. Die Pyramiden wurden vor dem Jahr 0 gebaut, es gibt kaum Aufzeichnungen und vieles davon ist ein Rätsel. Vielleicht würden diese Rätsel irgendwann gelöst werden, vielleicht auch nicht. Vielleicht würde sie das miterleben. Vielleicht auch nicht.
Im Moment saß sie in einem Restaurant und aß Nudeln. Es ist nicht das, was sie braucht, aber es schmeckt noch genauso gut wie früher. Sogar besser, das Essen hatte sich echt verbessert im letzten Jahrhundert. Jedoch hatte es nicht mehr diese sättigende Wirkung. Aber man fiel weniger auf, wenn man sich ab und an mal irgendwo hinsetzte und aß. Saß man in einem Restaurant und bestellte nichts, wirkte das auf die meisten Menschen doch eher merkwürdig. Emma wollte lieber normal sein. So wie jeder andere Mensch auch. Manchmal hasste sie, was sie war. Eigentlich müsste sie schon längst tot sein, so wie ihre drei Ex-Männer und ihre Eltern, ihre Schwester. Sie lebten alle garantiert nicht mehr.

Elisabeth saß auf einem riesigen Stein, der sich ganz alleine am Fluss befand. Der Fluss war nicht gerade sehr tief und auch nicht sehr lang, doch dafür war er schön. Niemand würde sie verstehen, niemand würde verstehen warum sie den Fluss so schön findet, denn immerhin ist er wie jeder andere. In Elisabeth Augen ist er anders, ein magischer Ort und doch etwas geheimnisvolles. Mit einem leisen Seufzer streift sie ihre Schuhe von den Füßen und tippt ganz vorsichtig mit der Zehenspitze ins Wasser, um sie danach ganz ins Wasser zu tauchen. Die ganze Zeit schaut sie auf die kleinen Wellen, die sie macht, wenn sie ihre Füße vorsichtig bewegt.
Dieser Fluss und besonders dieser Stein bringen in Elisabeth Gedanken, die sie zu gerne verdrängt und gleichzeitig kommen viele Gefühle wieder hoch, die sie ganz durcheinander bringen. Zum einem sieht sie in diesem Fluss ihre Familie, wie sie wunderbar mit einander harmonieren und sie einfach zusammen gehören und dieser Stein selbst, stellt Elisabeth da, wie sie verzweifelt versucht, genauso zu sein wie ihre Familie, jedoch nie so sein wird. Allein diese Erkenntnis macht Elisabeth traurig und leichte Tränen steigen in ihr auf. Doch eine andere Geschichte verbirgt sich noch dahinter, den an so einem Fluss hat sie ihre Menschlichkeit verloren. Elisabeth weiß nicht, wie es passiert ist, das einzige was sie noch weiß ist, dass sie vor jemanden weggelaufen ist und danach hingefallen ist und an diesem Punkt wird alles bei ihr schwarz. Das nächste an das sie sich erinnert ist, wie sie wieder aufwacht, ihre Klamotten zerfetzt sind und überall Blut ist. Später musste sie noch feststellen, dass sie zu einem Vampire geworden ist.
Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war und zudem ganzen Vampirsein kommt noch dazu, dass sie nichts mehr von ihrer Familie weiß.
Elisabeth war so mit den Gedanken versunken, aus die sie jedoch gerissen wurde, als ein Fisch an ihr vorbei schwamm. Elisabeth zuckte zwar nicht zusammen, jedoch war sie ein bisschen erschrocken. Sie blickte den Fisch hinterher, so lange sie konnte und wandte danach ihre Blicke wieder zu ihren Füße und dem Wasser. Sie entschloss sich ihre Füße aus dem Wasser zu nehmen, ihre Schuhe anzuziehen und weiter zu gehen. Sie befand sich in Seattle, so weit sie noch wusste, denn sie hatte so viele Orte gesehen, dass mittlerweile fast alles gleich aussah und sie nur schwer Unterschiede erkennen konnte. Sie ging einfach irgendeinen Weg entlang, ohne auf ein Schild oder ähnliches zu schauen. Manchmal traf sie Menschen, die sie komisch ansahen, die ignorierte sie jedoch. Viel mehr musste sie sich zurück halten, nicht auf einen Menschen zu springen und ihn zu töten. Sie hasste es zu töten und Blut von Menschen auszusaugen. Nachdem sie solch eine Tat begangen hatte, hätte sie sich am liebsten mit umgebracht. Elisabeth wünschte sich in diesen Momenten immer, sie wäre ein ganz normaler Mensch oder sie müsste so etwas nicht tun. Gerne nahm sie ein Vampir Buch in die Hand und las darin rum. Dabei viel ihr immer wieder auf, wie naiv und dumm die meisten Autoren waren. Immer wieder musste sie sich eingestehen, dass so ihre Fantasie war, doch dass richtige Leben ganz anders aussah. Es gab leider keinen Ersatz, für Menschen Blut und somit, hatten es die Vampire auch nicht gerade sehr leicht.
Mit leicht angehobener Schulter schritt sie weiter und blieb wie aus Reflex an einem Restaurant stehen. Von außen sah es nicht besonders einladend aus und es schien drinnen auch nicht anders zu sein. Jedoch aus einem unerklärlichen Grund, schien irgendetwas sie magisch an zuziehen. Aus diesem Grund schritt sie an die Tür des Restaurants und machte sie vorsichtig auf. Ein klingeln ertönte, als sie die Tür öffnete und einige Blicke lagen nun auf ihre Wenigkeit. Sofort schoss ihr der Geruch von Blut in die Nase, was sie rasend vor Durst machte, jedoch gab sie ihr bestes, nicht alle anzugreifen und einen nach dem anderen zu verschlingen. Trotzdem hielt sie ihre Nase noch einmal hoch und zog noch einmal den Geruch ein. Außer dem Blut, gab es noch einen anderen Duft, der anders roch, so bekannt und doch unbekannt. Elisabeth wusste nicht was das zu bedeuten hatte, doch es erweckte in ihrer Magengegend ein fröhliches Gefühl und aus diesem Grund, trat sie komplett in das Restaurant. Sie lies ihre Blicke durch das Restaurant schweifen und blickte in die verschiedensten Gesichter. Bei keiner Person schlug ihr Magen an und sie wollte sie schon wieder aus dem Staub machen, als sie eine junge Frau erblickte. Die junge Frau, war gerade mit ihren Nudel beschäftigt und ihre Art wie sie sich verhielt und ihr Wesen, kamen ihr ein wenig bekannt vor. Elisabeth blieb wie angewurzelt auf der Stelle stehen und starrte die Frau wie hypnotisiert an. Sie wartete darauf, dass sie Frau ihren Kopf hob und sie in ihr Gesicht blicken konnte.

Mitlterweile hatte Emma den halben Teller aufgegessen und ihre Aufmerksamkeit einem Fernsehgerät gewidmet, das sie ihr gegenüber befand. Sie verstand nicht, warum heutzutage schon in Resataurants Fernseher hingen. Klar Fast-Food-Ketten kannten das schon länger, aber in einem vollkommen normalen Restaurant. Hatten Menschen nichts mehr, worüber sie miteinander reden konnten, weshalb jeder froh um die willkommene Abwechslung in Form von Serien, Spielfilmen und Reality-Shows war? Die Welt hatte sich in den letzten Jahren doch ganz schön verändert. Sie konnte sich noch daran erinnern, wie die Menschen jeden Sonntag in die Kirche gingen und sich danach zum Tee trafen. Heute waren Kirchen weitgehend leer und Tee wurde nur noch in England getrunken. Heute verbrachten Jugendliche ihre Zeit vor Computern oder damit, sich auch irgendeiner Party zuzusaufen. Sie fand nichts davon wirklich schlecht, allerdings merkte sie jedes Mal aufs neue, wie extrem doch der Unterschied war. Als sie aufgewachsen war, durften Frauen sogar noch keine Hosen tragen und die Röcke mussten mindestens bis zu den Knöcheln gehen. Im 21. Jahrhundert lief jede zweite Frau in einem Minirock durch die Gegend, für den sie vor hundert Jahren noch verhaftet oder geschlagen worden wäre.
In dem Fernseher, der sie an die Technisierung und das neue Lebensgefühl erinnerte, liefen gerade Nachrichten. Es wurde mitgeteilt, dass in der Schweiß ein Bus verunglückte und dabei einige Insassen gestorben sind. Das darauffolgende war jedoch nicht mehr interessant. Es ging um die Wahl des Präsidenten und wie sich die Aufgestellten so machtne. Politik hatte Emma noch nie interessiert. Vielleicht lag es daran, dass es ihr zu ihrer Zeit noch verboten war, sich überhaupt damit zu beschäftigen - das Wahlrecht erhielt sie erst 1919 - vielleicht aber auch, weil die Politiker ihrer Meinung nach einfach immer irgendeinen Schwachsinn daherredeten und sich nicht wirklich um die Meinung ihres Volkes kümmerten. Klar. Die politische Situation hatte sich sicherlich verbessert. Es gab keine Monarchie mehr. In Amerika schon lange nicht mehr, aber da wo sie herkam, hatte es noch eine Monarchie gegeben. Das Ausrufen der Republik hatte sie schon nicht mehr als Mensch erlebt. Außerdem lebt man in Europa und Amerika schon seit einigen Jahren in Frieden. Sie konnte der Politik nicht vorwerfen, sie mache ihren Job schlecht. Doch während sie hier so saß und Nudeln aß, starben in Ägypten immer noch Menschen. Manchmal fragte sie sich, ob sie da nicht helfen könnte. Doch ihr nächster Gedanke ist dann immer gleich der, dass ein Menschen tötender Vampir in mitten einer Schlacht, in der Blut nicht gerade selten war, nicht unbedingt hilfreich war. In solchen Situationen kam sie sich nutzlos und untätig vor.
Emma wurde in ihren Gedanken unterbrochen, als eine Frau das Restaurant betrat. Sie hatte weiße Haare und lilafarbene Augen. Einen Mensch wie sie, der sämtliche Blicke im Raum auf sich zieht, hatte Emma schon länger nicht mehr gesehen. Sie selbst war eher der Typ, der sich anpasste, auch vom äußeren her und so ging es wohl den meisten Menschen auf dieser Welt. Sie bewunderte es, wenn jemand anders war. Etwas besonderes und wenn man zu sich selbst stand, egal wie viele Menschen einen anstarrten. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich die Gäste wieder ihrem Essen zuwandten. Emma dagegen sah sie erst jetzt genauer an. Merkwürdig. Als der Windhauch mit dem Öffnen der Tür ins Restaurant fegte, roch sie kein Blut. Normalerweise bekam sie immer direkt Appetit, wenn jemand ein Geschäft oder in diesem Fall eben das Restaurant betrat. Da halfen auch die Nudeln nicht wirklich. Aber sie wollte sie nicht direkt aussaugen. Im Gegenteil, sie roch überhaupt gar nichts.
Merkwürdig.